Der Dinkelsbühler Lokschuppen und das Wasserhaus - Erinnerungen von Frau Helga Schalk, Tochter des Dinkelsbühler Werkmeisters Wilhelm Grimm

Im Wasserhaus, welches am Lokschuppen angebaut war, befanden sich unterhalb des Wasserbehälters die Dienstwohnung des Werkmeisters Wilhelm Grimm. Der Chef der Bahnmeisterei Dinkelsbühl und somit der Vorgesetzte von Herrn Grimm war damals der Bahnmeister Straub. Im gleichen Gebäude war auch noch eine Übernachtungsmöglichkeit für Lokführer bzw. Heizer vorhanden. Bis kurz vor dem Abriss von Lokschuppen und Wasserhaus wohnte dort noch die Witwe des Werkmeisters. Sie bezog anschließend eine Wohnung im Bahnhofsgebäude und erlebte von dort aus die Demontage dieser Betriebseinrichtungen.

Erinnerungen von Frau Schalk geb. Grimm: Koksteile, die aus dem Feuerloch gekratzt und ins Gleisbett von Gleis 5 geworfen wurden, bevor die neue Kohle zum Anheizen eingefüllt, wurde von Grimm's Kindern eingesammelt und voller Stolz der Mutter übergeben, die zum Teil mit diesem Koks dann ihren Küchenherd befeuert hat. Kohle für Privathaushalte gab es damals nur auf Bezugsscheine und war rationiert.

Für die erste Fahrt - morgens um 5.30 Uhr - wurde bereits um 4.00 Uhr mit dem Putzen der Feuerstelle und dem Anheizen begonnen. Erst dann konnte die frühe Fahrt beginnen. Damals waren noch ein Lokführer und ein Heizer auf der Lokomotive im Einsatz, des weiteren gab es einen Zugführer und einen Schaffner.

Das Wasserhaus war immer ein sehr lebendiges Haus. In der Übernachtung gab es zwei Übernachtungsräume mit jeweils ca. 3 Stockbetten und einem Gemeinschaftsbad. Meistens blieb die Mannschaft von 2 Zügen über Nacht, ab und zu schliefen auch Bahnpolizisten in der Übernachtung. Damit die Übernachtungsmannschaft abends nicht ins Wirtshaus musste, baten sie Frau Grimm, ob sie Bier- und Sprudelkästen unter der Treppe deponieren könne - was sie natürlich auch gerne getan hat. In eine kleine Dose haben die Männer dann das Bier-/Sprudelgeld hineingelegt.

Dinkelsbühler Lokschuppen

Das 4. Gleis, welches durch den Lokschuppen einst führte, war schon entfernt worden. Man hatte dort eine Betankungsmöglichkeit für die Rangierlok aufgestellt. Der ehemalige Fahrdienstleiter Hilmar Scholz erinnert sich, dass auf dem Gelände des Lokschuppens ein Lademöglichkeit für die Akkutriebwagen der Baureihe 515 geplant war. Im Anbau rechts vom Wasserhaus hatte Werkmeister Wilhelm Grimm eine kleine Werkstatt. Auch Ziegen ("die Kuh des Eisenbahners"), Hühner usw. hielt man, wie damals üblich, auf dem angrenzenden Grundstück. Durch den Hofhund des Werkmeisters wurde schon manchmal auch der Rangierbetrieb behindert. Wenn die Sonne schön warm schien, machte es sich der Hund dort vor dem Schuppentor oder auch auf den Brettern des Gleisüberweges bequem und der Zugverkehr musste vorübergehend ruhen, bis der Hund gewillt war, seinen Platz freizugeben.

Lokschuppen vom Bahnhof aus gesehen

Der Lokschuppen und dahinter das Wasserhaus vom zweiten Stock des Bahnhofgebäudes aus fotografiert. Rechts vom Wasserhaus ist schon die Werkstatt der Baywa-Landtechnik errichtet worden. Dahinter aber kann man noch einige Häuser erkennen, welche heute nicht mehr existieren, auch das Haus vor dem der weiße VW-Käfer geparkt ist. Dort befindet sich heute der Stellplatz für die Landmaschinen der Baywa.

 Bahnhofszufahrt Dinkelsbühl

Das Bild zeigt Herrn Grimm jun., Sohn des Werkmeisters, vor seinem VW-Käfer. Vor der Gründung des Groß-Landkreises Ansbach hatten die im Landkreis Dinkelsbühl zugelassenen Autos auch schon einmal das Kennzeichen DKB. Auf der linken Bildseite neben Herrn Grimm war die Zufahrt für die Postfahrzeuge. Überörtliche Post wurde ausschließlich mit dem Zug befördert. Das Postamt Dinkelsbühl hatte für den Transport von und zum Zug einen größeren einachsigen Karren. Statt eines Pferdes musste ein Postbeamter den Wagen bis zum nahegelegenen Postamt ziehen. Im Gegensatz zum vorherigen Foto ist der Blick bis zu dem danach abgerissenen Wohnhaus noch frei. Die Baywa-Werkstatt war noch nicht errichtet worden.

 

Episoden aus alten Zeiten rund um den Bahnhof in Dinkelsbühl erzählt von Frau Schalk:

Die Geschichte von der Ziege:

Zum Haushalt der Familie Grimm gehörten - wie früher üblich - auch verschiedene Tiere (Hasen, Hühner, Gänse, eine Ziege und ein Schwein). Diese durften sich frei im Vor- und Hinterhof bzw. auf den Gleisen zur BayWa oder Sägewerk Dürr bewegen. Eines Tages wurde die Ziege bereits am Mittag vermisst und trotz verzweifelter Suche nicht gefunden. Stunden später konnte man ein klägliches "Mäh" aus dem Fenster der Übernachtung hören. Die Türen waren verschlossen, aber die Ziege hat durchs offen stehende Fenster Einlass gefunden und es sich dort im Bett gemütlich gemacht. 

 

Die Geschichte vom Schwein:

Das Schwein war mehr Hund als Schwein : Es lief mit meinem Vater auf dem hinteren Gleis zur BayWa, wenn dieser zum Friseur*) in der Wassertrüdinger Strasse ging. Am Schrankenwärterhäusle wurde die Sau dann mit den Worten "Musch, jetzt gehscht wieder ham" nach Hause geschickt, was das Schwein auch anstandslos getan hat.

 (*Anmerkung: Friseur Vogel, der hieß nicht nur so, sondern hatte auch viele Vögel in einer Voliere vor seinem Haus - Sittiche, Wachteln, Kanarienvögel u. v. m.)

Die Geschichte von der Gans:

Als die Gans in der kalten Jahreszeit ihre Jungen ausgebrütet hat, hatte man beschlossen, die Küken in einem Karton in der Küche unter den Herd zu stellen. Womit niemand gerechnet hatte: Die Gänsemutter hat ihre Jungen verzweifelt gesucht und ist zwei Stockwerke bis hoch zum Wasserbassin gewatschelt. Dort hat sie sich so laut bemerkbar gemacht, dass die Familie aufmerksam wurde. Die Mutter-Gans wurde dann zurück in den Hof gebracht und beruhigt. Nach ein paar Tagen wurden dann die Küken wieder der Mutter übergeben.

 

Blick von Süden  - Bahngelände Dinkelsbühl  

Ein Blick vom Bahnübergang Luitpoldstraße in Richtung Bahnhof. Links die Freiladegleise, dann der Güterschuppen, rechts Lokschuppen mit Wasserhaus und rechts im Vordergrund die Eisenbahnergärten.

Bahnhofsgebäude Dinkelsbühl

Der Dinkelsbühler Bahnhof hatte damals ein großes Gepäckaufkommen. Zwischen der Eingangstür zum Fahrdienstleiter und dem Fdl-Stellwerk stehen gleich drei Gepäckwagen bereit. Auf der rechten Bildseite ist der Warteraumanbau noch teilweise zu erkennen. Neben dem Eingang zum Warteraum befand sich eine emaillierte Tafel, auf der der diensthabende Beamte mit Kreide die Minuten für verspätete Züge anschrieb. Diese "digitale Anzeige" von damals funktionierte immer.

Frau Grimm in ihrer Dienstwohnung

Das letzte Bild zeigt Frau Grimm, die Mutter von Frau Schalk, in der Küche ihrer Dienstwohnung. Wie damals so üblich hing in jeder Dinkelsbühler Wohnung der Kalender vom Brauhaus Dinkelsbühl mit dem großen Maßkrug und dem kleinen Kinderzechbub darauf abgebildet. In der Kriegszeit war es ein mulmiges Gefühl, wie sich Frau Schalk erinnert - über der Wohnung befand sich der riesige Wasserbehälter für die Dampfloks. Wenn dieser bei der Beschießung des Bahngeländes damals getroffen worden wäre - da hatte man schon Angst.

Frau Schalk: In den Kriegsjahren waren auch Kriegsgefangene in Baracken untergebracht, die tagsüber zum Gleisbau eingesetzt wurden. Anfang der 60er Jahre kam ein französisches Ehepaar an den Bahnhof in Dinkelsbühl und hat einen Herrn Grimm gesucht. Es hat sich dann herausgestellt, dass dieser Mann auch als Kriegsgefangener am Dinkelsbühler Bahnhof eingesetzt war und gute Erinnerungen an meinen Vater hatte. Die Beiden haben dann ein paar Tage bei meinen Eltern verbracht, es fand sogar in Gegenbesuch in Marseille statt.

Herzlichen Dank  an Frau Helga Schalk und ihrer Familie für die schönen Erinnerungen an den "Bahnhof Alt-Dinkelsbühl"!

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